Volcan Baru

Den Aufstieg geschafft

„Melvin, let’s go, it’s already quarter to midnight”. Wir machen uns also auf den Weg. Erst eine halbe Stunde Taxifahren bis zum Fuße des Berges, dann 14 Kilometer hoch. Sechs Stunden müssten wir wandern, um unser Ziel, den höchsten Punkt Panamas, zu erreichen. Kalt solle es werden. Alles unter 15 Grad Celsius fällt in Panama unter kalt, also wird’s schon nicht so schlimm werden. Die Spitze des Volcanos wird uns bei guter Sicht Ausblick auf den Pazifischen Ozean wie auch das Karibische Meer bieten.

Ausgestattet mit einem extra Pullover, für den Fall, dass es denn wirklich so kalt werden sollte, und ein paar Erdnüssen sowie Bananen, falls uns die Kräfte ausgehen, wandern wir los. Es ist dunkel. So dunkel, dass ich nicht einmal mehr meinen Wegbleiter sehe, sobald er ein paar Meter zurückliegt. Die erste Pause. Das erste Säckchen Erdnüsse. „It’s a bit chilly, right?“ meint er mit diesem einzigartigen französischen Akzent, als ich meinen Pullover auspacke. Wir beenden die Pause. Keine Ahnung wie weit wir schon gekommen sind. Mein GPS funktioniert nicht und Schilder gibt’s auch nicht. Eine halbe Stunde später, die nächste Pause. Die erste Banane. Mittlerweile ist es wirklich kalt. Darum dauert diese Pause auch nur halb so lang. Als wir bei einer Raststation (weder Landzeit noch Rosenberger, sondern die Art mit Bank und Tisch) vorbeikommen, können wir das erste Mal einen Blick auf die Spitze erhaschen. Oder zumindest leuchten da hoch oben ein paar Lichter. Soweit wird’s also nicht mehr sein. Zwei Uhr fünfunddreißig, genug Zeit also, zum Sonnenaufgang oben zu sein. Die matschige Straße wird jetzt immer mehr zu einem mit Hinkelsteinen übersäten Pfad. Auch von dem Licht ist nichts mehr zu sehen. Vielleicht haben wir ja doch noch ein gewaltiges Stück vor uns. Sind ja auch erst 3 Stunden. Es ist jetzt WIRKLICH kalt. Auch wird unser Tempo langsamer, da im fünf-Minuten-Takt einer von uns beiden ausrutscht. Der Weg wird steiler und kurviger, der Untergrund rutschiger. Kleine Kurve, große Kurve, kleine Kurve, und so weiter.  Und da ist es plötzlich: Nach einer unscheinbaren Kurve eine gigantische Ansammlung an Türmen deren rote Scheinwerfer den Nachthimmel erleuchten. Sieht irgendwie bedrohlich aus.

Melvins Unterschlupf

„OH MY GOD, jakob, do you still have the ring?” Viel zu lange braucht mein nicht Fantasy-geschultes Gehirn, um diese „Herr der Ringe“ – Anspielung zu verstehen. Weit sollte es jedenfalls nicht mehr sein bis nach Mordor. Auch erinnert mein Gehumpel und der Einsatz meiner Hände um nicht ein vierzehntes Mal hinzufallen vermutlich tatsächlich an den kleinen Gollum. Wir erreichen also dieses Camp. Irgendwas mit Radiomasten oderso, mehr kann ich dem spanischen Wegweiser nicht entnehmen.  Drei Uhr siebenundvierzig. Um sechs geht die Sonne auf. Gut, dass wir auf die letzte Pause verzichtet haben. Hätte sonst knapp werden können. Das Thermometer zeigt drei Grad an. Meine dünne Stoffhose weht im Wind. In Mittelamerika werde ich keine warme Kleidung brauchen, dachte ich. Wir verkriechen uns in eine dieser Baracken. Sie werden wohl bald einen weiteren Masten dazu bauen. Irgendwie müssen wir noch zwei Stunden totschlagen. Melvin ist müde und beschließt sich ein Bett zu bauen. Nach fünf Minuten höre ich ihn schnarchen. Wie kann er bei dieser Eiseskälte schlafen? Immer wieder nicke auch ich ein, werde jedoch vom Geräusch der Banane aufgeweckt, die mir aus der Hand fällt. Nach gefühlt Jahren des Zitterns wird es langsam hell und wir beschließen, den letzten Anstieg in Angriff zu nehmen. Und tatsächlich, bei aufgegangener Sonne erkennt man den Pazifik, wie auch karibische Inselgruppen.