Langeweile

von Johannes Zaussinger

Für mich persönlich war Langeweile schon immer ein Motor für Kreativität, auch wenn mir das noch gar nicht so lange bewusst ist. Ich habe das Gefühl, dass sich die heutige Gesellschaft vor Langweile versteckt, sie muss quasi ständig unterhalten werden. Jede noch so kleine Pause wird mit dem Smartphone gefüllt. Im Wartezimmer beim Arzt, im Lokal, wenn die Begleitung aufs WC geht, beim Zähneputzen, in der Straßenbahn, etc. Ich könnte die Liste ohne Probleme noch lang fortführen. Ob man die Pausen nun mit Facebook, Instagram, oder anderen sozialen Netzwerken füllt, ist dabei meist egal. Ich frag mich dann oft, wieso machen wir das? Wahrscheinlich ist es die Angst vor der Langeweile. Doch Langeweile ist ja eigentlich gar nicht so schlimm. Haben wir verlernt einfach mal nichts zu tun?

Ich muss einige Jahre zurückgehen, um euch einen Einblick in eine Reihe von prägenden Momenten meiner Kindheit zu gewähren. Langeweile war für mich das Horrorszenario schlechthin, manchmal führte aber leider nichts daran vorbei. Um mich vor der drohenden Langeweile zu schützen, flüchtete ich meist zu meinen Eltern und erhoffte mir, sie mögen mich in irgendeiner Art und Weise beschäftigen. Meine Mutter war in dieser Hinsicht schnell nachgiebig und gab mir diverse Aufgaben. Mein Vater war hartnäckiger. Er sagte meistens: „Dann ist dir eben langweilig. Langeweile gehört dazu, sie ist wichtig. Lern damit umzugehen“ Als Kind konnte ich damit natürlich nicht umgehen. In den letzten Jahren wurde mir jedoch immer mehr bewusst, wie viel Wert und Gewicht diese Worte hatten und immer noch haben. Ich versuchte also irgendwie unbeschadet aus der gähnenden Leere der Langeweile zu entkommen. Ich musste irgendetwas tun! Irgendwann begann dann der kreative Teil meines Hirns zu arbeiten und ich platzte voller Ideen. Diese Energie nutzte ich dann meistens, um mich mit einem Instrument zu beschäftigen, etwas in der Werkstatt zu basteln oder ein Buch zu lesen. Die anfängliche Verzweiflung verwandelte sich in einen Gefühlszustand der Euphorie. Doch trotz des bewältigten ursprünglichen Problems, wiederholte sich der Prozess immer wieder. Es wurde jedoch immer einfacher aus der Leere zu entkommen.

Im Vergleich zu heute hat sich nicht viel verändert, der größte Unterschied ist wahrscheinlich, dass ich diesen Prozess jetzt bewusst wahrnehme. Dies wird blöderweise von der Tatsache überschattet, dass ich mich trotz dieses Bewusstseins selbst dieser wichtigen Pausen beraube, indem ich mich mit „Breaking News“ auf Facebook beschäftige. Warum? Das kann ich leider selbst nicht beantworten. Ich kann mich leider nicht von den Fesseln des Smartphones und der Unterhaltungsmedien lösen, ich versuchs aber zumindest. Der Wille zählt.

Falls euch die vorherigen Absätze nicht schon zum Nachdenken gebracht haben, hoffe ich, dass es spätestens nach diesem Schlussappell geschieht: Nehmt die Pausen im Alltag bewusster wahr und stürzt euch in gähnende Langeweile, vielleicht werdet ihr ja belohnt!