Warten will gelernt sein
Cusco // Peru: 16.03.2019
Mein vierter Tag in Cusco neigt sich zu Ende. Die Sonne ist weg, und so auch meine Geduld. Gefühlt eine Stunde warte ich mittlerweile an der Kassa des hiesigen Supermercados. Selbst nach mehr als einem halben Jahr in Lateinamerika habe ich mich noch nicht an die Gelassenheit der KassiererInnen gewöhnt. Obwohl ich mittlerweile weiß, dass Schlangen von vier oder fünf Personen eine Wartezeit von mindestens zwanzig Minuten bedeuten, ärgert es mich trotzdem jedes Mal aufs Neue, wenn die Kassiererin ein ausgelassenes Gespräch mit den Kunden vor mir oder ihren KollegInnen beginnt oder ans andere Ende des Supermarktes schlendert, um eines unwissenden Touris Avocado abzuwiegen. Warum eigentlich?
Ich hab ja heute eh nix mehr vor. Dass das Warten vor und hinter mir keineswegs als unangenehme Störung der Abendplanung wahrgenommen wird, sondern zum Milchkaufen gehört wie zuhause das Suchen nach einer 50-Cent-Münze fürs Wagerl oder der Smalltalk mit dem Kupfermucken-Verkäufer vorm Hofer, wird mir erst bewusst, nachdem ich wie automatisiert ein Glas „Inca Kola“ dankend ablehne. Als ich den ersten Bus auf peruanischem Boden bestieg, wusste ich bereits, dass Bordservice dazu gehört und man sich über Getränke und heiße Mahlzeiten freuen könne.
Mit einem eigenen Kellner, der die Warteschlange im Supermarkt mit Perus Softdrink #1 versorgt, habe ich aber dann doch nicht gerechnet.
Dieses Urin-farbige Soda aus dem Hause Coca-Cola, das mich in meine Kindheit zurückversetzt und sehr an das blaue Schlumpf-Eis vom Il Gelato erinnert, teilt die Schlange in zwei Gruppen: Zum einen die Peruaner, die freudig das erste Glas hinunter kippen und gleich nach einem zweiten verlangen, zum anderen die Touristen, von denen niemand das Angebot annimmt. Und dann wäre da noch eine kleine Minderheit an „Frischlingen“, die offensichtlich noch nicht all zu lange in Peru verweilen. Sie bedanken sich für die Kostprobe und nehmen gespannt den ersten Schluck. Die Reaktionen sind alle dieselben. Verzogene Gesichter, gemurmelte Empörung und das verzweifelte Suchen nach einem Mülleimer. Den Peruanern ist ihr eigenes „Kola“ heilig, und dieses Gastgeschenk im Supermarkt wegzuwerfen wäre wohl ein Fauxpas den man vermeiden könnte. Bleibt wohl nur den Becher die nächste halbe Stunde zu halten..