Über irische Busfahrer und gefräßige Schweine

von Hanna Littich

Fünf Euro. Soviel hatten wir verstanden. Der Busfahrer Pat, ausgestattet mit einem Akzent so heftig wie der Wild Atlantic Way lang, machte es uns nicht leicht. Schauplatz der ‚Unterhaltung‘: Carlow im Südosten Irlands. Wir waren von einer anderen Haltestelle hierher gesprintet, um den weißen Kleinbus noch zu erreichen. Dabei hatte Pat auf Geheiß unseres künftigen Hosts ohnehin extra auf uns gewartet. Auf die zwei gerade einmal volljährigen Freundinnen aus Österreich, die nach der Matura einfach mal raus wollten, die drei Monate lang die grüne Insel bereisen würden. Den Fahrpreis bezahlt und die Rucksäcke verstaut (Jawohl, man war ja abenteuerlustiger Backpacker!) kraxelten wir also ins Vehikel.

Das mit den Bussen in Irland ist ja so eine Sache. Kommen sie? Kommen sie nicht? Und wenn doch, kann man vielleicht sogar ohne die fast schon obligatorische Stunde Verspätung am Ziel ankommen? An diesem Tag Mitte Oktober von Dublin nach Carlow hatte es nicht geklappt. Deshalb auch die kurze Sporteinheit von einer Haltestelle zur nächsten. Aber irgendwie war das alles egal. Selbst, wenn wir den Bus verpasst hätten, auf die eine oder andere Art wären wir schon zur Wunschdestination gekommen. Die Iren haben eine Gelassenheit an sich, die ansteckend ist. Nur mit der Ruhe, es wird schon hinhauen. Irgendwie.

Wir waren nicht alleine im Bus, vier ältere Herren traten mit uns die Reise Richtung Shillelagh an. Ein 300-Seelen-Dorf, das nicht einmal über einen Wikipedia-Artikel verfügt. Tatsächlich spuckt die Suchmaschine erstmal das Bild eines stacheligen Holzknüppels aus, wenn man sich damit ins Internet begibt. Da wir von den Gesprächen ohnehin nur Ausschnitte verstanden, konnten wir die vorüberziehende Landschaft umso mehr genießen. Wir waren seit 3 Wochen unterwegs gewesen und langsam stellte sich ein Gefühl von Heimat ein.

Gegen Kost und Logie halfen wir also auf der kleinen Farm von Yasmine und Laurence aus. Eingebettet in Hügel und umgeben von Schafen ernteten wir Kartoffeln, jäteten Unkraut und pflanzten Knoblauch. Ebenso versorgten wir vier Hühner, eine Katze und ein Schwein. Die Bäume kleideten sich ob der Jahreszeit langsam in die wärmsten Farben, das satte Grün der Gräser blieb aber bestehen. Hier, abgeschieden vom Trubel, im Einklang mit der Natur, kamen wir zur Ruhe. Die routinemäßige Arbeit an der frischen Luft erdete uns. Viele tiefgründige Gespräche führten uns die wirklich wichtigen Dinge vor Augen.

Da sich unsere Gastgeber nach etwa einer Woche aufgrund einer Hochzeit Richtung Kalifornien verabschiedeten, blieben wir für weitere zehn Tage alleine zurück. Zwei fast Fremde in ihrem Haus leben zu lassen, fällt eben auch nur Iren ein. Uns stand also mehr Freizeit als jemals zuvor zur Verfügung und wenige Möglichkeiten, um uns zu beschäftigen. Die Tage bestanden nun darin, zu lesen, zu schreiben, Streamingdienste in Anspruch zu nehmen, Tiffany (das Schwein) zu füttern und unser eigenes Körpergewicht in Cheddar zu verspeisen. Und wenn es so still ist, dass man sich endlich selber hört, stellt man sich unweigerlich die existenziellen Fragen: „Was mache ich hier?“, „Wo will ich hin?“

In einer Zeit der großen Ungewissheit und Veränderung kam mir der entspannte Holzknüppel-Ort also gerade recht. Einige Fragen konnte ich für mich beantworten, zumindest teilweise. Mir ist klar geworden, dass ich gerne lerne, vor neuen Herausforderungen stehe und auf ein Ziel hinarbeite. Kurzum: mir persönlich ein klein bisschen Gas ganz gut tut.